Unter der Lupe: Mercedes-Benz Sicherheitsinnovationen: Safety auch offen? Aber sicher

05.09.2016
Stuttgart

In den 1970er-Jahren nahm das automobile Sicherheitsbewusstsein weltweit deutlich zu. Das hätte das Aus für offene Autos bedeuten können – denn gerade bei Überschlägen schienen die Insassen allzu verwundbar zu sein. Doch die ganzheitliche Mercedes-Benz Sicherheitsphilosophie bewährte sich auch hier: Denn seit den 1950er-Jahren gehört beispielsweise der Dachfalltest zum Repertoire der Crashtests, obwohl er bis heute nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. So ist es keine Überraschung, dass Innovationen aus dem Hause Mercedes-Benz das Sicherheitsniveau von Cabrios und Roadstern steigerten und für ein glanzvolles Comeback der offenen Fahrzeuge sorgten.

Ein Meilenstein ist die Premiere der vierten Generation des SL im Jahr 1989. Zum serienmäßigen Sicherheitspaket der Baureihe 129 gehört ein sensorgesteuerter Überrollbügel, der bei einem Crash oder einer extremen Fahrsituation automatisch binnen 0,3 Sekunden durch Federkraft und Hydraulik ausfährt. Die A-Säule wird innen durch ein Rohr verstärkt und ergänzt die Schutzwirkung des einzigartigen automatischen Bügels sinnvoll.

Hinzu kommt der aufwendig konstruierte Integralsitz, ausgerüstet mit integriertem Dreipunktgurt. Der Rahmen dieses Sitzes ist so dimensioniert, dass er beim seitlichen Aufprall Energie absorbiert. Rund 20 patentierte Detaillösungen stecken allein in diesem Integralsitz.

Zwei Jahre später feiert das viersitzige Cabriolet sein Comeback nach 20 Jahren. Es kommt im September 1991 als weitere Karosserievariante der Baureihe 124 zunächst als 300 CE-24 Cabriolet auf den Markt. Mit hohem konstruktivem Aufwand wird der Zweitürer auf der Grundlage des Coupés für die Rolle als offenes Fahrzeug vorbereitet – allein zur weiteren Versteifung der Karosserie müssen rund 1.000 Teile neu konstruiert werden. Insgesamt braucht jedes Cabrio mehr als 130 Kilogramm zusätzliches Blech, um die fehlenden 28 Kilogramm des Coupé-Dachs statisch zu kompensieren. Eigens für das Cabriolet wird ein hinter den Fondsitzen angeordneter Linearbügel entwickelt, der bei einem drohenden Überschlag innerhalb von 0,3 Sekunden nahezu senkrecht nach oben fährt. Er kann aber auch jederzeit auf Knopfdruck ausgefahren werden, um den Fondpassagieren als Kopfstütze zu dienen.

2001: Kopfairbags auch beim SL

Mit ihrem ganzheitlichen Konzept avanciert die fünfte Generation des SL im Jahr 2001 wiederum auf dem Gebiet der Fahrzeugsicherheit zum Vorbild einer neuen Sportwagen-Generation. Sie berücksichtigt alle Aspekte der Fahrzeugsicherheit – von der Unfallvermeidung mittels elektronischer Fahrdynamiksysteme wie ABC, Bremsassistent BAS oder ESP® über die Struktursicherheit der Karosserie bis zur schnellstmöglichen Rettung der Insassen nach einem Unfall. Den Insassenschutz verbessern neben der hochfesten Karosseriestruktur unter anderem zweistufige Airbags für Fahrer und Beifahrer, Head-/Thorax-Bags in den Türen, Integralsitze, Gurtstraffer, Gurtkraftbegrenzer und der sensorgesteuerte Überrollbügel.

Heckflosse: Sicherheit schon früh im Fokus

Vorreiter in Sachen Sicherheit sind aber auch die früheren Generationen von SL und viersitzigen Cabriolets. So sind die von den Heckflossen-Limousinen abgeleiteten offenen Wagen der Baureihen W 111/W112 (1961 - 1971) nicht nur besonders elegant, sondern sie übernehmen auch die Sicherheitsinnovationen der Limousine: Crashstabile Fahrgastzelle mit Knautschzonen an Front und Heck, gepolsterte Armaturentafel und Prallplatte am Lenkrad.

All diese Merkmale besitzt auch der SL des Jahres 1963. Hinzu kommt eine Neuheit, die bis heute sein Erkennungszeichen ist: das Pagoden-Dach. Doch dem Design des abnehmbaren Coupé-Dachs, das sich zur Fahrzeugmitte absenkt und an japanische Tempelarchitektur erinnert, liegen weniger stilistische denn sicherheitstechnische Überlegungen zugrunde. Mercedes-Benz Ingenieur Béla Barényi, der Pionier der modernen Pkw-Sicherheitstechnik, hatte sich diese ungewöhnliche Dachform schon 1956 patentieren lassen, weil sie extrem belastbar ist und den Insassen bei einem Unfall ein Höchstmaß an Sicherheit bietet.

Roadster R 107 1971: Eine Vielzahl von Sicherheitsinnovationen

Daher wird die Grundform des Daches auch bei seinem Nachfolger, dem R 107, beibehalten. Der SL des Jahres 1971 erreicht mit 18 Jahren auch deswegen die längste Bauzeit aller Roadster von Mercedes-Benz, weil er im Bereich der Passiven Sicherheit neue Maßstäbe setzt: Neben dem Sicherheitskonzept mit Knautschzonen vorne und hinten und der gestaltfesten Fahrgastzelle ist das Rückgrat des R 107 nicht einfach eine verkürzte und verstärkte Limousinen-Bodengruppe wie beim Vorgänger, sondern eine eigenständige Rahmenbodenanlage mit geschlossenem Kardantunnel sowie kastenförmigen Quer- und Längsträgern, deren Besonderheit in unterschiedlichen Blechstärken und dem daraus resultierenden definierten Knautschverhalten liegt.

Die A-Säulen werden von Grund auf neu entwickelt und bringen eine um 50 Prozent höhere Festigkeit als die bisher gebaute Version. Zudem wird die Frontscheibe zur Erhöhung der Festigkeit in den Rahmen eingeklebt. Das ergibt eine beachtliche Widerstandskraft beim Dachfalltest, womit der offene Wagen auch ohne Targabügel in den USA zulässig ist. Die Heckscheibe im Hardtop ist ebenfalls geklebt. Auch im Innenraum gibt es richtungsweisende Neuerungen. Das Armaturenbrett ist sowohl im oberen als auch im Kniebereich stoßnachgiebig und schaumgepolstert. Ebenfalls eine Neuheit ist das Vierspeichenlenkrad, gebaut nach den Erkenntnissen der Unfallforscher. Geblieben ist der schon bewährte Pralltopf; aber Lenkradkranz, die vier Speichen, Polsterplatte und Nabe sind mit Polyurethan umschäumt. Teleskop-Sicherheitslenksäule und das hinter der Vorderachse liegende Lenkgetriebe ergänzen die Sicherheitsmaßnahmen unter dem Blech. Die Fahrzeuge haben serienmäßig Dreipunktgurte. Die Türgriffe sind ebenfalls neu konstruiert, so dass sie auch nach Unfällen nicht von selbst aufspringen, sich jedoch weiterhin mit Handkraft öffnen lassen.

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